Georg M. Oswald

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Georg M. Oswald, 2017

Georg M. Oswald (* 5. August 1963 in München) ist ein deutscher Schriftsteller und Jurist.

Georg M. Oswald wuchs in Weßling bei München auf. Er studierte Jura an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach dem Rechtsreferendariat am Landgericht München I legte er 1994 das Zweite Staatsexamen ab. Von 1994 bis 2020 praktizierte er als Rechtsanwalt in München.

Sein literarisches Debüt gab Oswald 1995 mit dem Erzählungsband Das Loch. Seither veröffentlichte er zahlreiche Essays und Artikel in Zeitschriften und Zeitungen wie Akzente, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit sowie für das Nachtstudio und das Kulturjournal des Bayerischen Rundfunks.

In den Jahren 1995 und 2000 nahm er am Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt teil.[1]

2000 erschien sein vielbeachteter Roman Alles, was zählt, mit dem er einem größeren Publikum bekannt wurde.[2] Von 2001 bis 2007 moderierte er die Geschichten aus der Großen Stadt,[3] eine literarische Bühne in der Münchner Kneipe Kilombo.

Von 2007 bis 2013 schrieb er die Kolumne Wie war dein Tag, Schatz? für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Zusammen mit Juli Zeh übernahm Georg M. Oswald 2010 die Tübinger Poetikdozentur.[4]

Von 2013 bis 2016 war Georg M. Oswald Leiter des Berlin Verlags. Seit Ende 2020 ist er Lektor im Carl Hanser Verlag.[5]

Oswald war Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste[6] und ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland[7] und Gründungsmitglied des PEN Berlin.[8]

Sein literarisches Debüt gab Oswald 1995 mit dem Erzählungsband Das Loch. Neun Romane aus der Nachbarschaft. Darin skizziert er auf skurrile Weise das bürgerliche Leben in seiner bayerischen Heimat am Ende des Zweiten Weltkriegs. Walter Hinck (FAZ) erkennt in Oswalds Sprache „einen parodistischen Abstand zur eigenen Fachsprache“ und befindet: „Seine eigentliche Domäne ist aber die Familienfete, auf der er Klein- und Mittelstandsbürger zum humoristischen Arrangement zusammenführt“.[9]

Der juristische Hintergrund Oswalds findet immer wieder Eingang in sein Schreiben.[10][11] Das in der Juristerei gewonnene „kulturelle Kapital“[12] setzt er literarisch ein und um, z. B. indem er in „ästhetisch hoch artifiziellen Texte(n)“[12] von juristischen Dilemmata und „Ereignisse(n), die von Rechts wegen nicht erfasst werden können“,[12] erzählt.

Dies gilt auch für seinen ersten Roman aus dem Jahr 1997. In Lichtenbergs Fall, im Stil eines juristischen Protokolls geschrieben, setzt sich der Autor mit dem Zustand des deutschen Justizsystems auseinander. In seinem Zentrum steht Carl Lichtenberg, der in Untersuchungshaft sitzt, weil er seine reiche Schwiegermutter ermordet haben soll. Lichtenberg will es nicht gewesen sein, ein Unschuldsengel ist er aber in keinem Fall – er hat sich kurz zuvor bankrott spekuliert. Oswald habe „das Society-Tableau im Profi-Griff, [...] die Satire rodelt über Abgründe“,[13] urteilt Der Spiegel. Dieses Debüt sei „ein intelligentes, sarkastisches Vergnügen“.[13]

Auch Party Boy von 1998 berührt ein juristisches Thema. Für den Roman hatte Oswald im Internet zu Amerikas meistgesuchtem Serienkiller Andrew Cunanan recherchiert. Diese Recherche geht teils direkt in den Roman über den Mord an einem Modedesigner in Miami ein. Der Spiegel lobt diese Herangehensweise als „neue Form des Internet-Romans“,[14] ohne dass Oswald dabei eine weitere Angst-Vision vom Web als Tummelplatz für Mörder und Computer-Intelligenzen entwerfe. Volker Weidermann (für die Tageszeitung) sieht den Autor in seinem moralischen Anspruch in der Tradition Heinrich Bölls.[15]

Im Jahr seiner Teilnahme am Ingeborg-Bachmann-Preis gelingt Georg M. Oswald sein literarischer Durchbruch mit dem Roman Alles, was zählt, der 2000 mit dem International Prize ausgezeichnet und in mehr als zehn Sprachen übersetzt wird.[16] Der Roman handelt vom Scheitern eines Karrieristen in der strikt profitorientierten Wirtschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts, vom Abrutschen eines gescheiterten Bankers ins Gangstermilieu. Mitleidslos und präzise werde der Absturz des Protagonisten erzählt, so Volker Weidermann in der Tageszeitung.[17] Oswald lege, so Der Spiegel, einen abgründigen Roman voller Lakonie und Zynismus vor.[18]

Im Himmel von 2003 ist ein Adoleszenz-Roman, der am Starnberger See spielt. In ihm zeige Oswald – mit ironischer Distanz, aber ohne jede Abscheu – die Welt der Schönen und Neureichen in all ihrer inneren Leere, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung.[19] Der Roman handelt von Marcel, dem zwanzigjährigen Sohn eines Rechtsanwalts, der von seinen traumatisierenden letzten Sommerferien erzählt. Für Christoph Schröder (Frankfurter Rundschau, Die ZEIT) ist Im Himmel ein bitterböser Roman mit beunruhigender Wirkung,[20] ein satirisches Panoptikum der wohlhabenden Asozialen und gleichzeitig eine elegante Breitseite gegen einen zynischen Geldadel.[21]

„Die Verstrickungen von Geld, Justiz und Politik sind eines seiner Leib-und-Magen-Themen“,[22] schreibt Rainer Moritz über Georg M. Oswald in der Neuen Zürcher Zeitung und findet dieses auch in Vom Geist der Gesetze von 2007 wieder. Dort trifft ein Reigen unterschiedlicher Charaktere aus verschiedenen Milieus nach einem Autounfall vor Gericht aufeinander; eine Reihe von Machtspielen beginnen. Ein wenig harmlos findet Hubert Winkels (Die ZEIT) den Roman, er habe aber viel Charme und Verve und ein cleveres Ende.[23] Meike Feßmann (Tagesspiegel) liest ein „genaue(s) Porträt einer Gesellschaft, die längst nicht mehr nur nach den Gesetzen von Politik und Ökonomie funktioniert“ und bescheinigt Oswald, „informelle Regelkreise mit (...) Bravour“ zu beschreiben.[24]

Mit Unter Feinden legt der Autor 2012 einen Thriller über scheiternde Integration und Drogen in einem Münchner Problembezirk vor.[25] Der Roman wurde von Lars Becker für das ZDF unter demselben Titel verfilmt und am 15. November 2013 auf Arte ausgestrahlt. Für Hannes Hintermeier (Frankfurter Allgemeine Zeitung) handelt es sich um eine „Münchner Milieustudie vom Feinsten, die auch die Spannung nicht vernachlässigt“.[26] Von der kleinen Drogenkriminalität bis zum internationalen Terrorismus ist laut Gustav Seibt von der Süddeutschen Zeitung alles dabei, Oswald erzähle eine sorgsam konstruierte Geschichte, randvoll mit gesellschaftlicher Wirklichkeit.[27] Auch für Die ZEIT ist Unter Feinden ein brillanter Krimi, „kühl und klar“ an der Oberfläche – aber „darunter brodeln die sozialen Ungleichheiten“.[21]

Nach 55 Gründe, Rechtsanwalt zu werden, in dem Oswald seinen Berufsstand porträtiert,[28] erscheint 2017 sein jüngster Roman. Alle, die du liebst schildert den Absturz eines erfolgreichen Anwalts sowie ein Vater-Sohn-Drama, erzählt aus der „Arschlochperspektive“, die Oswald laut Christian Buß (Der Spiegel) meisterlich beherrscht.[29] Ein geschiedener Jurist reist mit seiner neuen Freundin nach Afrika, um die Beziehung zu seinem dort lebenden Sohn zu kitten. Doch das gelingt nicht, und der Leser findet sich schnell in den „Untiefen zerrissener Familienbande“[30] wieder. Für Christoph Schröder (Süddeutsche Zeitung) ist Alle, die du liebst ein rasanter Roman, angereichert mit einer Menge zwielichtiger Figuren.[31] Für Wolfgang Schneider (FAZ) besteht „sein Reiz (...) gerade in den vielen Unwägbarkeiten, so gefestigt und trocken realistisch der Ton des Romans daherkommt“. Oswald folge seiner „literarischen Passion“, „wohlhabende und erfolgreiche Männer ins Straucheln zu bringen“, „inszenier(e) das Vater-Sohn-Drama als Clash der Kulturen“ und gehe dabei „aufs Ganze“.[32]

2018 wurde das Sachbuch Unsere Grundrechte. Welche wir haben, was sie bedeuten und wie wir sie schützen veröffentlicht. Darin erklärt und analysiert er die Grundrechte in verständlicher Sprache und zeigt ihre Relevanz für aktuelle politische und gesellschaftliche Diskurse. „Interventionistische Staatsbürgerschulung“ nennt Andreas Zielke in der Süddeutschen Zeitung das Genre, das Oswald für dieses Buch kreiere, und urteilt: „Gerade solche Bürger, die gegenwärtig das Abendland gegen die Zumutungen der Freiheit verteidigen wollen, können hier in ebenso unaufdringlicher wie selbstprüfender Manier erschließen, dass es das Abendland mit seiner genuinen Aufklärungstradition selbst ist, das sich in diesen Zumutungen spiegelt.“[33]

Im Februar 2020 ist der Roman Vorleben erschienen.[34] Er behandelt die verführerische Macht des Zweifelns und stellt die Frage, inwieweit man jemanden verdächtigen kann, den man liebt. Laut der Süddeutschen Zeitung handelt es sich um einen "Krimi, den man dringend zu Ende lesen möchte"[35], für Stefan Maelck vom NDR erzählt Oswald "dicht und poetisch, spannend und geheimnisvoll zugleich"[36].

Oswald meldet sich immer wieder in kulturpolitischen Debatten zu Wort, so zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Esra-Urteil des Bundesverfassungsgerichts[37] und bei der Debatte um den Auftritt rechter Verlage auf Buchmessen.[38]

Auszeichnungen (Auswahl)

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Veröffentlichungen

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  • 2019: Guter Rat. Ringen um das Grundgesetz (WDR/DLF/BR für die Hörspielprogramme der ARD 2019)[40]

Einzelnachweise

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  1. Archiv des Bachmannpreises
  2. Familienhölle im Tropenparadies In: Der Spiegel. 20. März 2017.
  3. geschichtenausdergrossenstadt.de
  4. germ.uni-tuebingen.de
  5. kress.de
  6. Süddeutsche Zeitung: Georg M. Oswald über seinen Austritt aus der Akademie der Künste. Abgerufen am 5. Juni 2021.
  7. leipziger-buchmesse.de
  8. Mitgründer:innen. Archiviert vom Original am 18. Juli 2022; abgerufen am 24. Juni 2022.
  9. Stilleben mit Kleinbürger Walter Hinck, Süddeutsche Zeitung, 21. März 1995
  10. Georg M. Oswald: „Das Ende kommt, wenn es da ist!“ Günter Keil, Münchner Feuilleton, 16. April 2017
  11. Juristendeutsch kann so schön sein. Anne Haeming, KarriereSPIEGEL, 27. Juli 2013
  12. a b c Georg M. Oswald: Kontingenz + Recht (1) Jan Drees, lesenmitlinks.de, 13. September 2014
  13. a b München durchleuchtet Der SPIEGEL, 17. Februar 1997
  14. 3 Rätselhafter Mörder Bettina Koch, Der SPIEGEL, 1. März 1998
  15. perlentaucher.de - Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.08.2000
  16. Porträt Georg M. Oswald leipziger-buchmesse.de
  17. perlentaucher.de - Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.08.2000
  18. Immer Hai sein Der SPIEGEL, 7. August 2000
  19. Die Stadt im Roman FAS, aktualisiert am 9. März 2008
  20. perlentaucher.de - Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.10.2003
  21. a b Hier ermittelt die Polizei gegen sich selbst Christoph Schröder, Die ZEIT, 3. Februar 2012
  22. Machtspiele Rainer Moritz, NZZ, 22. Januar 2008
  23. Vom Geist des Fernsehens Hubert Winkels, Die ZEIT, 7. Februar 2008
  24. Vom Geist der Gesetze Meike Feßmann, Der Tagesspiegel, 10. Oktober 2007
  25. Auf alles Menschelnde verzichtet Knut Cordsen, Deutschlandfunk Kultur, 19. März 2012
  26. München brennt Hannes Hintermeier, FAZ, 27. Januar 2012
  27. München und seine Banlieue Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung, 1. Februar 2012
  28. 55 gute Gründe Corinna Budras, FAZ, aktualisiert am 27. Juni 2013
  29. Familienhölle im Tropenparadies Christian Buß, SPIEGEL online, 20. März 2017
  30. Ein Kotzbrocken geht durch die Hölle Christian Böhm, Die WeLT, 11. Mai 2017
  31. Mister Joe weiß Bescheid Christoph Schröder, Süddeutsche Zeitung, 29. April 2017
  32. Ziemlich wenig für so viel Geld Wolfgang Schneider, FAZ, 1. Juni 2017
  33. Was ist deutsch und warum? Andreas Zielcke, Süddeutsche Zeitung, 21. März 2018
  34. piper.de Vorleben
  35. Pastaessen als Leistungsschau Christian Mayer, Süddeutsche Zeitung, 15. März 2020
  36. Krimi über einen furchtbaren Verdacht Stefan Maelck, NDR, 02. April 2020
  37. Esra, zehn Jahre später - Drehen am Fiktionalisierungsventil Georg M. Oswald, Verfassungsblog, 25. Juli 2017
  38. „Erregte Meinungsverschiedenheiten gehören dazu“ Georg M. Oswald im Gespräch mit Joachim Scholl, Deutschlandfunk Kultur, 10. Januar 2018
  39. wuerth
  40. Hörspiel "Guter Rat: Ringen um das Grundgesetz". 10. Dezember 2021, abgerufen am 18. Februar 2023.